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My Child Lebensborn: Eine tiefgründige Geschichte von Elternschaft im Krieg

My Child Lebensborn spielt im Norwegen der Nachkriegszeit und ist kein typisches Videospiel. Statt actionreicher Szenen oder Fantasiewelten bietet es eine tief emotionale und historisch fundierte Geschichte über die Nachwirkungen des Krieges – insbesondere aus der Perspektive der Kinder, die aus dem NS-Lebensborn-Programm hervorgegangen sind. Entwickelt von Sarepta Studio und Teknopilot, erforscht dieses interaktive Erlebnis Elternschaft, Traumata und gesellschaftliche Ausgrenzung mit ungeschönter Ehrlichkeit. Die Spieler übernehmen die Rolle eines Adoptivelternteils, wobei jede Entscheidung direkten Einfluss auf das Wohlbefinden des Kindes hat.

Die Nachwirkungen des Krieges aus Sicht eines Kindes

In My Child Lebensborn übernimmt man die Verantwortung für Klaus oder Karin, ein Kind norwegisch-deutscher Herkunft – ein Produkt des historischen Lebensborn-Programms. Obwohl der Krieg vorbei ist, sind die Wunden der Gesellschaft noch lange nicht verheilt. Das Spiel zeigt, wie unschuldige Kinder nach dem Krieg stigmatisiert wurden und unter systematischer Ausgrenzung litten.

Der Alltag besteht aus scheinbar einfachen Aufgaben wie Essen zubereiten, Baden und Lernen. Doch diese Tätigkeiten dienen nur als Rahmen für die eigentlichen sozialen Herausforderungen. Das Kind kommt verstört oder verletzt aus der Schule zurück – ein klares Zeichen für Mobbing und Isolation. Solche Szenen basieren auf den wahren Erfahrungen vieler Lebensborn-Kinder.

Besonders eindrücklich ist, dass das Spiel keine einfachen Lösungen präsentiert. Ob man streng oder verständnisvoll ist – jede Entscheidung hat ihre Konsequenzen. Der Spieler erfährt dadurch die emotionale Komplexität von Elternschaft in einer feindlichen Gesellschaft.

Historische Genauigkeit und echte Berichte

Die Entwickler arbeiteten mit Historikern und Zeitzeugen zusammen, um ein realistisches Bild zu schaffen. Die dargestellten Erlebnisse sind nicht erfunden, sondern basieren auf authentischen Berichten und Interviews mit Betroffenen. Dadurch erhält das Spiel eine dokumentarische Tiefe.

My Child Lebensborn wird dadurch zu einem Lerninstrument, das aufklärt und gleichzeitig bewegt. Es beleuchtet ein oft übersehenes Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und gibt den Stimmen der vergessenen Kinder Raum.

Diese sorgfältige Auseinandersetzung mit historischen Fakten macht das Spiel zu einem digitalen Mahnmal. Es fordert die Spieler auf, über Vorurteile und gesellschaftliche Wunden nachzudenken – auch im Hinblick auf aktuelle Themen.

Spielerische Freiheit als Erzählmittel

Einer der stärksten Aspekte des Spiels ist die Kontrolle, die der Spieler über die emotionale Entwicklung des Kindes hat. Große Ereignisse bleiben historisch korrekt, doch der Beziehungsaufbau zwischen Pflegeeltern und Kind hängt maßgeblich vom Handeln des Spielers ab.

Es gibt keine traditionellen Sieg- oder Niederlagenbedingungen. Stattdessen wird Empathie, Geduld und Verantwortungsgefühl belohnt. Selbst bei fürsorglichem Verhalten kann das Kind leiden – ein Spiegelbild der Ohnmacht realer Eltern im Angesicht gesellschaftlicher Ungerechtigkeit.

Das Spiel lehrt auf subtile Weise emotionale Intelligenz und zeigt, wie komplex menschliche Beziehungen unter Druck sein können. Es vermittelt tiefes Verständnis für das Schicksal von Kriegswaisen und ihren Familien.

Gestaltung und Atmosphäre

Die minimalistische, handgezeichnete Grafik unterstreicht die emotionale Intimität der Geschichte. Die gedeckten Farben und sanften Animationen erzeugen eine melancholische, aber warme Atmosphäre, die das Erlebnis intensiviert.

Jede Bewegung des Kindes – ein Lächeln, ein Zögern, ein gesenkter Blick – verändert die Stimmung des Spiels. Auch die Tonkulisse ist zurückhaltend und setzt gezielt Stille ein, um die Konzentration auf das Wesentliche zu lenken.

Diese gestalterische Zurückhaltung lenkt die Aufmerksamkeit voll auf die emotionale Tiefe der Handlung. Die Spieler werden eingeladen, sich wirklich auf das Schicksal des Kindes einzulassen.

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Globale Anerkennung und gesellschaftliche Bedeutung

Seit seiner Veröffentlichung wurde My Child Lebensborn weltweit für seine authentische Darstellung und soziale Relevanz gelobt. 2018 erhielt es den BAFTA-Award in der Kategorie Game Beyond Entertainment – ein Beweis für seine kulturelle Bedeutung.

Das Spiel wird inzwischen in Schulen und Workshops in ganz Europa als Unterrichtsmaterial verwendet. Es eignet sich besonders gut, um jungen Menschen komplexe historische Themen näherzubringen – auf eine Weise, die Bücher oft nicht erreichen.

Darüber hinaus hat es die Diskussion über das Potenzial von Videospielen als Bildungs- und Erinnerungsmedium angeregt. My Child Lebensborn zeigt eindrucksvoll, wie interaktive Medien zur Auseinandersetzung mit Geschichte beitragen können.

Vermächtnis und Zukunftsausblick

Stand Februar 2025 bleibt My Child Lebensborn ein bedeutendes Werk. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, für neue Plattformen angepasst und gilt weiterhin als Meilenstein des narrativen Game Designs. Es gibt Überlegungen zu einer Fortsetzung, die sich mit den Langzeitfolgen von Krieg auf Familienstrukturen befassen könnte.

Das Vermächtnis des Spiels liegt in seinem Mut, unbequeme Wahrheiten anzusprechen. Es zeigt, dass Videospiele mehr sein können als bloße Unterhaltung – sie können zum Nachdenken und Mitfühlen anregen.

My Child Lebensborn ist nicht nur ein Spiel. Es ist ein Mahnmal, eine Lektion in Mitgefühl und ein Stück lebendige Erinnerungskultur.